Es ist gerade einmal vier Jahre her, dass Menschen massenhaft auf die Straße gingen und »Baustopp jetzt!« forderten. Darunter viele, die zum ersten Mal in ihrem Leben ihre Überzeugung derart öffentlich und lautstark artikulierten. Es herrschte Aufbruchstimmung im Ländle und die Hoffnung war weit verbreitet, Stuttgart 21 stoppen zu können. Und nicht wenige setzten dabei auf den Machtwechsel im Land – bekanntlich ein Irrweg.
Woran aber liegt es, dass nicht einmal ein so offensichtlich unsinniges, riskantes, teures und zerstörerisches Projekt gestoppt werden kann? Und wieso hat es eine Protestbewegung in unserer Gesellschaft so schwer, ihre Anliegen langfristig wirksam werden zu lassen? Hierzu einige Denkanstöße, die sich Überlegungen des Psychologen Robert Schmittmann verdanken.
Archiv der Kategorie: Ausgaben
#45: Verzockte Heimat
Wer heute durch Stuttgart läuft, stößt an jeder zweiten Ecke auf eine Großbaustelle. Absperrungen, Baumaschinen, Baugruben, Lastwagen versperren den Weg. Damit verbunden sind Gestank, Lärm und Verschmutzung. Überrascht stellt man fest: Da war doch vor kurzem noch ein Gebäude! Und stand hier nicht eine Sitzbank? Weg sind die ausladenden Bäume, die hier im Sommer Schatten und Kühle spendeten. Was machen die Baustellen, was macht diese Zerstörung mit den Menschen?
#44: Worüber regen Sie sich auf?
Glaubt man Presse und Lokalpolitikern, nervt viele Stuttgarter derzeit vor allem eines: die wöchentliche Montagsdemo gegen Stuttgart 21. Dabei haben die Menschen in Stadt und Region wirklich andere Gründe, aufgebracht zu sein: Die Tieferlegung des Bahnhofs und der Bau von 60 Kilometer Tunnelröhren bringen den Verkehr in Stuttgart und seinem Umland schon heute aus dem Takt. Und das ist erst der Anfang. In den nächsten Jahren werden Radfahrer, Fußgänger, Bahnnutzer und Autofahrer viele Stunden im Stau oder an zugigen Bahnhöfen und Haltestellen verbringen sowie lange Umwege in Kauf nehmen müssen. Kein Wunder, dass die Projektverantwortlichen mit den tatsächlichen Auswirkungen der S-21-Bauarbeiten nur scheibchenweise herausrücken. Wir haben die verstreuten Informationen zusammengetragen und in einer Überblickskarte dargestellt – wahrlich katastrophale Aussichten. Wer dies alles klaglos hinnimmt, sollte sich auch nicht über diejenigen mokieren, die gegen diesen Irrsinn demonstrieren. Und Sie? Worüber regen Sie sich auf?
Tunnelblick 44 (Webausgabe)
Tunnelblick 44 (Druckdatei)
#43: Versammlungsfreiheit!
Wenn Demonstrationen mit Verweis auf Verkehrsbehinderungen verboten werden und – wie in Hamburg – ganze Stadtteile zu »Gefahrengebieten« erklärten werden, dann ist das alarmierend. Denn die Versammlungsfreiheit gilt als Grundpfeiler der Demokratie und ihre Einschränkung ist ein schwerer Eingriff in die Grundrechte der Bürger. Deshalb sollten alle dieses Recht verteidigen, ungeachtet von Sachfragen. Und das nicht nur anderswo auf der Welt, sondern auch hierzulande.
#42: Die Hütchenspieler
Die Bahn wusste schon Monate vor der Volksabstimmung im November 2011, dass der Kostendeckel für Stuttgart 21 gesprengt wird. Dies zeigt eine bahninterne Risikoliste vom März 2011. Doch anstatt ihre Kostenberechnung zu aktualisieren, erklärte die Bahn die Liste zur Verschlusssache.
Inzwischen liegt das Papier den »Ingenieuren 22« vollständig vor. Die projektkritischen Fachleute haben die Risiken bewertet und für sie steht fest: Das Budget war schon zum damaligen Zeitpunkt überzogen. Und es kann noch viel schlimmer kommen.
#41: Macht macht Meinung
Wie die Deutsche Bahn die Öffentlichkeit manipuliert
25 Millionen Euro – so viel sollen für die »Öffentlichkeitsarbeit« von Stuttgart 21 von 2009 bis 2020 mindestens ausgegeben werden. Offiziell. Die PR-Leute der Bahn können also aus dem vollen Schöpfen. Ihr Geschäft ist die Desinformation und die betreiben sie nach allen Regeln der Kunst – auch mit schmutzigen Mitteln.
Tunnelblick 41 (Webausgabe)
Tunnelblick 41 (Druckdatei)
#40: S-Bahn am Limit
Die Stuttgarter S-Bahn war eine Erfolgsgeschichte. Seit ihrer Eröffnung 1978 ist die Zahl der Fahrgäste
stetig gewachsen. Heute zwängen sich täglich 360.000 Menschen in die überfüllten Züge. Doch mit der Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit ist es vorbei: Infolge der Vorbereitungen für Stuttgart 21 müssen viele S-Bahn-Nutzer Verspätungen erdulden und sich mit verpassten Anschlüssen abfinden. Weitere Einschränkungen während der Bauzeit hat die Bahn bereits angekündigt. Geht der Tiefbahnhof 2024 oder später tatsächlich in Betrieb, wird die S-Bahn vollends abgehängt.
Tunnelblick 40 (Webausgabe)
Tunnelblick 40 (Druckdatei)
#39: Wahl-Extra: Kollektive Verantwortungslosigkeit
»Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten.« Ob dieser Ausspruch nun von Kurt Tucholsky oder von der amerikanischen Anarchistin Emma Goldman stammt: Stimmt er denn? Ändern Wahlen wirklich gar nichts? Sicher nicht am politischen System und der Art und Weise, wie politische Entscheidungen in unserem Land zustande kommen. Aber an der grundsätzlichen, langfristigen Ausrichtung unserer Gesellschaft, wie die Geschichte zeigt – zum Guten wie zum Schlechten.
Trotzdem sinkt die Wahlbeteiligung. Sind die Bürger also uninteressiert, gleichgültig, gar verantwortungslos? Oder haben
sie einfach die Nase voll davon, dass Wahlen in erster Linie dazu dienen, Gefolgschaft und Mehrheiten herzustellen, und
Parteien Themen nur als Machtvehikel instrumentalisieren?
Ein Tunnelblick über Stuttgart 21, die Bundestagswahl und die kollektive Verantwortungslosigkeit der Politik.
Tunnelblick 39 (Webausgabe)
Tunnelblick 39 (Druckdatei)
#38: Enteignet wird erst nach der Wahl
Stuttgart 21 soll Angela Merkels Wahlkampf nicht stören. Der ursprünglich für Mai geplante Abriss eines teilweise noch bewohnten Mehrfamilienhauses in der Nähe des Stuttgarter Hauptbahnhofs ist deshalb auf den Tag nach der Bundestagswahl verschoben worden. Das kommt Bahn-Chef Rüdiger Grube gerade Recht, denn die Enteignung eines Wohnungseigentümers könnte wieder einmal unerwünschte Schlagzeilen bringen.
Ein Beitrag von Hermann G. Abmayer in Zusammenarbeit mit Kontext:Wochenzeitung.
Tunnelblick 38 (Webausgabe)
Tunnelblick 38 (Druckdatei)
#37: Lasst die Filder leben!
Die Filder, einst ländliche Idylle und einzigartiges, fruchtbares Ackerland, wurden in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr zur Verfügungsmasse für Großprojekte – im Namen eines angeblichen technologischen und wirtschaftlichen Fortschritts. Heute überzieht ein dichtes Straßennetz die Hochebene vor den Toren Stuttgarts. Der Flughafen wurde ausgebaut und bringt die Menschen um ihre Ruhe. Auch für die neue Messe wurde wertvolles Ackerland zubetoniert. Nun droht weitere Zerstörung durch das Milliardenprojekt Stuttgart 21. Doch die Filderbewohner wehren sich.
Tunnelblick 37 (Webausgabe)
Tunnelblick 37 (Druckdatei)